Die Annahme, dass ein Zuchttier eine intakte Kinderstube gehabt haben muss und somit später weniger verhaltensauffälliger sei als ein Tierheim-Tier mit unbekannter Vergangenheit, mag in vielen Fällen gerechtfertigt sein, aber auch bei einem Zuchttier gibt es keine Garantie, dass es nicht irgendwelche Störungen mitbringt. Genausowenig sind Tierschutz-Tiere grundsätzlich verhaltensgestört.

Die allermeisten, die ich kennengelernt und auch diejenigen, die wir selbst aufgenommen haben, sind zunächst einmal unbekannte Wesen mit einem je eigenen Charakter und fast immer mit der Fähigkeit ausgestattet, sich in ein bestehendes Familiengefüge einzuleben und sich anzupassen. Natürlich gibt es auch ängstliche Tiere, denen man anmerkt, dass sie nichts Gutes erlebt haben, aber in der Regel entspannen sie sich schnell in der neuen Umgebung und fassen Vertrauen. Eine Wundertüte ist jedes neue Tier, das in einen Haushalt kommt, egal ob aus einer Zucht oder aus dem Tierschutz, aber in den meisten Fällen wächst es früher oder später in die neue Familie hinein, egal, woher es kommt.
Viele möchten ein junges Tier aufnehmen. Aber auch in Tierheimen sind Tiere jeden Alters zu finden. Viele Welpen landen dort, sogar wenn sie aus Zuchten stammen und abgegeben wurden, weil sie nicht den "Rassestandards" entsprechen, oder weil ein Züchter sie einfach nicht mehr betreuen konnte, da er selbst krank wurde oder irgendwelche Katastrophen sich ereignet haben, weswegen sein Betrieb geschlossen werden musste, usw.
Wie wir alle wissen, ist der Handel mit Welpen in europäischen Nachbarländern ein unsägliches Verbrechen. Viele Tierheim-Welpen stammen aber auch aus deutschen unseriösen sog. "Zuchten", sind oft in sehr schlimme Verhältnisse hineingeboren worden und haben traurige erste Lebenswochen durchgemacht. Das heißt aber auch, dass gerade ihnen ein liebevolles Zuhause helfen würde, traumatische Erfahrungen verblassen zu lassen. Sie aus "correctness" bzw. aus Boykott-Gründen links liegen zu lassen, unterbindet das kriminelle "Vermehren" nicht; dafür müssen die entsprechenden Gesetze und vor allem deren Umsetzung sorgen.
Auch das Argument, dass nur ein Zuchttier in Frage kommt, wenn man ein Tier einer ganz bestimmte Rasse aufnehmen möchte, spricht nicht gegen ein Tier aus dem Tierschutz. Unter den vielen Tierschutztieren findet man alle Rassen. Oft existieren spezielle Seiten im Internet mit dem Namen der jeweiligen Rasse "in Not", sowohl bei Hunden als auch bei Katzen. Ein hoher Prozentsatz von ihnen stammt übrigens ursprünglich auch aus Züchtungen. Es sind sehr häufig Tiere, die schlecht vermittelt und wieder ausgesetzt wurden, oder solche, die aus aufgelösten Zuchtbetrieben stammen. Auch wir haben mehrmals ausgesetzte Rassehunde bei uns aufgenommen

und kennen nicht wenige Hundefreunde, deren Collies, Yorkies, Shelties, Boxer, Schäferhunde, Malteser, Retriever, Dobermann aus dem Tierschutz kommen.
Warum züchtet eigentlich jemand?
Vielen Tierfreunden sträuben sich die Haare ob solcher Zustände und ob der Tatsache, dass trotz des millionenfachen Elends weiterhin unzählige Einzelpersonen und Vereine beliebig viele Hunde und Katzen züchten dürfen und auf diese Weise zu deren weiteren Vermehrung beitragen.
Auch wenn die Motive von Hunde- und Katzenzüchtern oft mit "Naturverbundenheit" und "Freude am Tier" oder "Liebe zum Tier" und "Erhaltung/Verbesserung der Rasse" begründet werden, so kann ich diesen Argumenten nichts abgewinnen. In erster Linie handelt es sich ja doch um ein Geschäftsmodell. Und das ohne links und rechts zu schauen und offenbar mit der starken Tendenz, Tierschutztiere als weniger wertvoll anzusehen als die selbst gezüchteten.
Die meisten Züchter interessiert es nicht, dass Millionen von Tieren - auch Mitglieder der von ihnen gezüchteten Rasse - in Tierheimen sitzen. Es interessiert sie nicht, dass sie mit ihrem Züchtungs-Tun verhindern, dass jemand ein Tierschutztier aufnehmen könnte, so dass diese Zahlen sich verringern.
Und nicht nur das: Nicht alle Züchter kaufen ihre Tiere zurück, wenn eine Vermittlung scheitert. So gibt es – wie beschrieben - einen hohen Prozentsatz von Tieren, die zum Wanderpokal und/oder ausgesetzt werden und im Tierheim landen. So tragen gerade auch Züchter zur Erhöhung der Tierheimtierquote und somit zur Ausweitung des Tierelends bei.
Zum Schluss noch etwas Verstörendes: Auf die Frage an den einen oder anderen sog. "Hobbyzüchter", warum er Hunde oder Katzen züchtet, bekam ich solche Antworten wie: "Ich kann mich dabei selbst verwirklichen" oder "Es ist doch schön, etwas Eigenes zu erschaffen"! Ich hoffe wirklich sehr, dass dies kein verbreitetes bewusstes oder unbewusstes Motiv für das Züchten von Hunden und Katzen ist. Jeden, der dieses so oder so ähnlich empfindet, bitte ich zu bedenken, dass es sicherlich eine Reihe von besseren kreativen und sinnvollen Möglichkeiten gibt, etwas zu erschaffen und /oder sich selbst zu verwirklichen, als es auf Kosten von anderen Lebewesen zu tun. Daher unterstütze ich den Aufruf:
Don´t breed or buy while shelter animals die!
* Es ist in diesem Beitrag von Hunden und Katzen die Rede, weil sie zu den häufigsten Tierheim-Insassen gehören, aber es sind natürlich auch andere Tierarten mitgedacht.
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